Über das Sterben im Spital aus Sicht der Betroffenen ist wenig bekannt. Dies, obwohl in der Schweiz rund 40 Prozent der Menschen in einem Spital sterben. Dr. med. Katja Fischer und Dr. Horst Rettke wollen in einem interprofessionellen Forschungsprojekt darum mehr erfahren über die Qualität der Betreuung am Lebensende im Spital. Die Palliativmedizinerin im Pallivita Bethanien und der Pflegewissenschaftler am Universitätsspital Zürich möchten dazu Angehörige von Menschen, die im Akutspital verstorben sind, befragen und haben ein Instrument sorgfältig übersetzt und linguistisch validiert. Sie stellten ihr laufendes Forschungsprojekt im Rahmen der Generalversammlung von palliative zh+sh vom 10. Mai 2017 vor.
Die Perspektive von Sterbenden und Angehörigen auf die Betreuung untersuchen.
Katja Fischer zählte existierende Instrumente auf, die zur Qualitätssicherung der Betreuung am Lebensende genutzt werden können. Der «Goldstandard» seien beispielsweise die Empfehlungen zur Sterbephase von palliative ch. Diese basierten jedoch auf einem reinen Expertenkonsens. Alle Instrumente, die es bisher gibt, so Fischer, schliessen entweder Experten, Angehörige oder Sterbende mit ein. Jedoch keines dieser Instrumente schliesse sowohl die Perspektive der Sterbenden als auch jene der Angehörigen ein und keines von ihnen lege den Schwerpunkt auf den Betreuungsaspekt. Hier sahen Fischer und Rettke Handlungsbedarf.
Verständliche, zumutbare Fragen
Worauf die Forschenden bei ihrem Projekt hingegen stiessen, war ein Fragebogen aus Irland, der diese Kriterien erfüllte. Sie machten sich mit einem breit abgestützten Team an die Übersetzung und passten den Fragebogen an den hiesigen kulturellen Kontext an. Damit war allerdings noch kein neues Instrument zur Beurteilung der Betreuungsqualität im Spital am Lebensende geschaffen, waren sich Fischer und Rettke einig. Es war lediglich der erste Schritt dazu gelungen. Denn: «Wir wollten sicher sein, dass auch Hinterbliebene den Fragebogen verstehen, ausfüllen und als zumutbar annehmen können», so Rettke. Deshalb führten er und Fischer eine «linguistische Validierung» durch, in der nicht die Antworten auf die Fragen im Fragebogen, sondern der Weg zu den Antworten im Fokus stand. Diese Validierung sollte also zeigen, ob der Fragebogen angemessen, verständlich und zumutbar ist für Angehörige von Menschen, die in einem Spital verstorben sind.
Sehr wichtig ist die Freiwilligkeit.
Befragt wurden dazu insgesamt 15 Personen in drei Staffeln. Der Verlust eines Angehörigen dieser Befragten lag zwischen sechs Wochen und zweieinhalb Jahren zurück. Die Hinterbliebenen füllten den Fragebogen von Fischer und Rettke aus und wurden am Tag danach mündlich dazu befragt. Dabei zeigte sich: Der Fragebogen ist insgesamt zumutbar und angemessen und die Fragen sind sehr verständlich; ein vorsichtiger Umgang mit diesem Instrument ist allerdings wichtig. Viele der Befragten empfanden es zwar als sehr aufwühlend, die Fragen zu beantworten, nahmen die Befragung aber als willkommene Gelegenheit wahr, das Erlebte noch einmal zu evaluieren und zu einem Abschluss zu bringen. Das Ausfüllen des Fragebogens wurde durchaus als Belastung empfunden, jedoch nicht in einem Mass, das unzumutbar sei. Sehr wichtig, so zeigte sich, ist die Freiwilligkeit. Die Befragten hatten sich zur Teilnahme bereit erklärt und wussten, dass sie diese jederzeit abbrechen konnten. Mehr als die Hälfte der ursprünglich Angefragten hatte eine Teilnahme abgelehnt.
Betroffenen Unterstützung zugänglich machen
Bei zwei von 15 Befragten zeigte sich eine schwere, langanhaltende Trauer. Ihnen wurden Unterstützungsangebote gemacht. «Ein sehr wichtiger Teil dieses Fragebogens sind tatsächlich die Vorstellung von Unterstützungsangeboten sowie die beigelegte Trauerbroschüre», so Fischer. «Diesen Teil haben wir versucht, so klar und gut wie möglich zu gestalten.» Betroffene, die beim Ausfüllen des Fragebogens merken würden, dass sie die Konfrontation übermässig aufwühlt, könnten sich so melden, wenn sie Hilfe möchten. Zudem lasse sich an den Bemerkungen, die im ausgefüllten Fragebogen zurückkämen teilweise gut herauslesen, ob es angebracht sei, die hinterbliebene Person im Nachhinein noch einmal zu kontaktieren, sie nach ihrem Befinden zu fragen und allenfalls Hilfe anzubieten. Dennoch äusserte sich keine der Interviewten negativ zur Befragung und sah, explizit befragt, keinen Grund, diesen Fragebogen nicht auch anderen Hinterbliebenen vorzulegen. Der Fragebogen kann, so Rettke und Fischer, problemlos auf das ambulante Setting angepasst werden, wo Angehörigenbefragungen ebenfalls hilfreich sein könnten.
Das Projekt fand im Rahmen einer Masterthesis von Katja Fischer statt. Die Ergebnisse sollen nach der Genehmigung der Thesis publiziert werden. Für die quantitative Validierung des Fragebogens suchen Fischer und Rettke noch starke Partner.