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Medienschau September 2024

Medienschau September 2024

Die Medienschau von palliative zh+sh gibt Einblick in die Berichterstattung zu Palliative Care und verwandten Themen des vergangenen Monats. (Bild gme)

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03. Oktober 2024 / Medien
Das Pflegezentrum in Zofingen bietet neu sechs Betten für spezialisierte Palliative Care an, Pionier Roland Kunz äussert sich zur Debatte um die Suizidkapsel Sarco und psychedelische Medikamente sollen Palliativpatientinnen und -patienten helfen, Ängste und Depressionen zu überwinden. Diese und weitere Themen in unserer Medienschau vom September.
Seit September bietet das Pflegezentrum Zofingen sechs Betten für spezialisierte Palliative Care Langzeit an. Diese Erweiterung folgt dem neu verabschiedeten Konzept des Kantons Aargau zur Erhöhung des Bettenangebots für Menschen mit palliativen Diagnosen in der Langzeitpflege. Ein entsprechender Vertrag wurde mit dem Kanton unterzeichnet. Die neuen Betten werden in Einzelzimmern der bestehenden Kurzzeit-Pflege-Abteilung realisiert. Das Pflegezentrum Zofingen ist die vierte Langzeitinstitution im Kanton Aargau, die dieses spezialisierte Leistungsangebot bereitstellt, neben Lindenfeld Suhr, Reusspark Niederwil und Pflegimuri. Zusätzlich wurde das Kompetenzzentrum Palliative Care Mittelland Spital Zofingen kürzlich als Weiterbildungsstätte für den interdisziplinären Schwerpunkttitel «Palliative Care» anerkannt.

«Zofingen hat ein neues Angebot in der palliativen Pflege». Zofingertagblatt. 30.9.2024
«Eine Vorstellung, bei der es mich tschudert»

Die einen finden sie unmenschlich, die anderen eine legitime Möglichkeit, aus dem Leben zu gehen: Die Sterbekapsel Sarco löst eine Grundsatzdiskussion darüber aus, wie wir sterben wollen. «Was ist ein guter Tod?», fragt der «Tages-Anzeiger». Roland Kunz begleitet seit Jahrzehnten Menschen beim Sterben. Man nennt den 69-Jährigen eine Koryphäe der Palliativmedizin. Und er hat, natürlich, von dieser Sterbekapsel mitbekommen. «Man drückt auf einen Knopf und wird ins Jenseits befördert. Das ist eine Vorstellung, bei der es mich persönlich tschudert.» Dann wird Kunz grundsätzlicher. «Ich finde es aber gut, dass man nun über das Sterben spricht.»

Die Sterbekapsel polarisiert ungemein. Zeitungen, TV- und Radiostationen – alle berichten in den letzten Wochen darüber. Der Tod per Knopfdruck irritiert. Vor allem aber liegt hinter der Aufregung eine sehr intime Frage, die uns alle betrifft. Wie wollen wir einmal sterben? Sterben sei eine sehr individuelle Angelegenheit, sagt Roland Kunz. Viel werde auch aus dem Bauch heraus argumentiert, weil man nicht weiss, was auf der anderen Seite ist. «Niemand kann uns darum sagen: Das war ein guter Tod.» Was man aber sagen könne: Das Sterben kann man beeinflussen. Und immer mehr Menschen wollen selbstbestimmt sterben. Er sehe das auch in seinem Fachbereich. Vor 40 Jahren gab es Palliative Care noch nicht. Heute ist es eine eigenständige Fachdisziplin. Wenn eine sterbenskranke Patientin zu ihm kommt, läuft immer der gleiche Prozess ab. Kunz fragt, welche Lebensziele sie noch habe. Eine will das Enkelkind noch sehen, eine andere möglichst rasch gehen. Daraus leite man die Behandlung ab. Vielleicht nutze man eine Chemotherapie, vielleicht stoppe man die lebensverlängernden Massnahmen, vielleicht entscheide die Person sich für Exit. «Das Interessante an der Vorstellung vom Sterben ist, dass sie sehr ambivalent sein kann», sagt Kunz. Meinungen können sich sehr schnell sehr radikal ändern. Ausserdem: Jeder Mensch ist und funktioniert anders, besonders beim Sterben. In der Palliativmedizin gehe es um die Beziehung zum Patienten und um das Herausfinden, was für ihn das Richtige und Beste ist.

«Was ist ein guter Tod?» Tages-Anzeiger. 30.09.2024

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Psychedelische Medikamente sollen sterbenskranken Patienten helfen, Ängste und Depressionen zu überwinden und die verbleibende Zeit lebenswerter zu machen. Erste Studienergebnisse sind positiv, doch sie haben auch Lücken, wie die NZZ in ihrem Bericht meint. Zur Palliativmedizin gehört die Kontrolle von Schmerzen und anderen körperlichen Symptomen. Ebenso wichtig ist es aber, die psychischen Schmerzen zu lindern. Diese seelische Hilfe zu leisten, ist oft die schwierigere Aufgabe. «Der Leidensdruck bei den Betroffenen kann enorm sein. Und die zur Verfügung stehenden Hilfsmittel wie Psychotherapie, angstlösende Medikamente oder Antidepressiva sind in ihrer Wirkung begrenzt», sagt Sivan Schipper, Arzt für Innere Medizin und Leiter der Palliativversorgung am Spital Uster. Schipper gehört zu den Autoren einer kürzlich vom internationalen Forschungsnetzwerk Cochrane veröffentlichten Übersichtsarbeit, welche die wissenschaftliche Evidenz für einen neuen Ansatz auswertet. «Wir konnten am Ende sechs gut gemachte Studien mit insgesamt 149 Teilnehmenden auswerten», sagt Schippers Co-Autor Christopher Böhlke, Arzt am Palliativzentrum Basel. In den sechs ausgewerteten Studien wurden Angst und Depressionen mit zwei gängigen Fragebögen erfasst, die am Ende einen Zahlenwert für die Schwere der Symptome ergeben. Eine psychedelisch assistierte Therapie reduzierte Ängste um gut acht Zähler auf der von 20 bis 80 reichenden Skala des «State Trait Anxiety Inventory». Für Depressionen betrug dieser Rückgang knapp fünf Punkte im «Beck Depression Inventory», das maximal 63 Punkte kennt. Als Vergleich dienten jeweils Patienten, die nur ein Scheinmedikament erhielten. «Das ist keine dramatische Verbesserung. Aber die positiven Effekte auf Angst und Depression sind über die Studien hinweg sehr konsistent und erweisen sich in der Gesamtauswertung aller Studiendaten als signifikant – sowohl im statistischen Sinn als auch, was einen realen Nutzen für die Patienten angeht», erklärt Böhlke. Soweit die ersten Erfahrungen. Definitive Ergebnisse der neuen Schweizer Studie sind nicht vor Ende 2027 zu erwarten. Und selbst wenn sie positiv ausfällt, wird es wohl noch deutlich länger dauern, bis die Therapieform wirklich in Palliativ-Stationen ankommt.

«Der Trip ins Jenseits». NZZ am Sonntag. 29.9.2024
«Wir Ärzte leben in einem Machbarkeitszwang und die Gesellschaft in einem Machbarkeitsglauben»

Ein eigentliches Plädoyer für die palliative Medizin hat der Gastautor und renommierte Herzchirurg Thierry Carrel für die «Schweizer Illustrierte» verfasst. Im Zeitalter atemberaubender medizinischer Hightech-Fortschritte werde es immer schwieriger, sich an eine alte, oft vergessene Devise der Ärzteschaft zu erinnern, die hiess: manchmal heilen – oft lindern – immer trösten. Dies war die Maxime der christlichen Hospize von damals. «Heute steht Heilen gewaltig im Vordergrund, und das ist auch gut so», sagt Carrel. Aber: «Wir Ärzte leben in einem Machbarkeitszwang und die Gesellschaft in einem Machbarkeitsglauben an die moderne Medizin.» So laute die entscheidende Frage nicht: «Was ist machbar?» Sondern: «Ist das Machbare auch sinnvoll und am Wohl des Kranken orientiert, ist es der Patientin, dem Patienten zumutbar?» Genau das ist die Frage, welche die Palliativmedizin stellt. Palliative Medizin heisse aber nicht passive Medizin, ganz im Gegenteil: «Palliare» ist Lateinisch und bedeutet «den Mantel umlegen». «Was für ein sinnvolles Stammwort für barmherzig umhüllende Palliation, diese allein auf Linderung, Begleitung und Tröstung ausgerichtete Hilfe auf dem letzten Lebensabschnitt, wenn der Patient – rein reparativ betrachtet – ausbehandelt ist.»

«Ein Plädoyer für die palliative Medizin». Schweizer Illustrierte. 27.9.2024

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Einen Satz bekommen die Mitarbeitenden der Palliative Care Abteilung am Spital Zofingen immer wieder zu hören: «Hätte ich gewusst, dass diese wenig mit einer normalen Spitalabteilung zu tun hat, wäre ich schon viel früher eingetreten.» Auch wenn die Erkrankung nicht heilbar ist, lässt sie sich häufig stabilisieren – und mit Anpassungen kann ein weitgehend normales Leben über einen längeren Zeitraum möglich sein. «Eine hochstehende Palliativversorgung kann viel Leid ersparen», sagt denn auch Dr. med. Gaby Fuchs, Leitende Ärztin Palliative Care am Spital Zofingen. Die Akzeptanz und Wertschätzung der Palliative Care sei in den letzten Jahren sicher gestiegen. «Für mich geht dieser gesellschaftliche und politische Prozess zu langsam vorwärts», sagt die Palliativärztin. Es sei immens wichtig, dass alle Betroffenen schnellen und unkomplizierten Zugang zu einer qualitativ hochstehenden Palliativversorgung finden. «Dafür, dass die Sterblichkeit 100 Prozent beträgt und wir alle – wenn auch zeitlich versetzt – im gleichen Boot sitzen, wird das Thema noch zu oft tabuisiert.» Und wie hat die Arbeit in der Palliative Care ihr persönliche Sicht auf das Leben und Sterben verändert? Die Palliative Care habe ihren Blick auf Leben und Sterben hinsichtlich der Zukunft geprägt. «Jederzeit kann eine schwere Erkrankung alle Pläne durchkreuzen. Dies ist mir immer bewusst – und als Folge davon habe ich eine ausgeprägte Dankbarkeit für alle und alles, was mir am heutigen Tag begegnet und mich bereichert.»

«Palliative Care – die lindernde Medizin». Zofingertagblatt. 11.9.2024
«Die Diagnose Krebs wirft alles über den Haufen»

Jedes Jahr erkranken rund 300 Kinder und Jugendliche in der Schweiz an Krebs. Pflegeexpertin Maria Flury arbeitet auf der Onkologie und im pädiatrischen Palliativ-Careteam des Universitäts-Kinderspitals Zürich – und begegnet zahlreichen betroffenen Kindern und ihren Familien. Als Pflegeexpertin hilft sie Eltern bei der Pflege ihres kranken Kindes im Spital, bereitet sie darauf vor, es zu Hause zu betreuen, und unterstützt am Beratungstelefon, wenn daheim ein Problem auftaucht. Wie die Welt und der Alltag von Familien durch eine solche Diagnose aus den Fugen geraten, erzählt sie dem «Tages-Anzeiger» anlässlich des internationalen Kinderkrebsmonat September.

Man mag sich kaum vorstellen, was für ein Schock es für eine Familie ist, wenn das Kind an Krebs erkrankt. «Wir ziehen einer Familie mit einer solchen Diagnose den Teppich unter den Füssen weg. Bis dahin hatte ihr Kind mal Schnupfen oder Magen-Darm-Grippe. Nun wird sie damit konfrontiert, dass es eine potenziell tödliche Krankheit hat, die es ohne intensive Therapie nicht überlebt.» Wie fängt die Pflegeexpertin betroffene Familien auf? «Als grösstes pädiatrisches Onkologie-Zentrum hierzulande sehen wir rund ein Drittel aller Kinder mit Krebs. Neben der medizinischen Betreuung werden betroffene Familien psychologisch begleitet», sagt Maria Flury. «Den meisten gelingt es, mit der Zeit eine andere Normalität zu erlangen, was mich immer beeindruckt. Als Familie alles zu stemmen, was mit der Diagnose zusammenhängt, ist eine enorme Leistung.» Die betroffenen Familien müssten sich in einem komplett neuen Alltag zurechtfinden. «Die Diagnose wirft, kurz gesagt, alles über den Haufen», ist sich die Pflegeexpertin bewusst. Oft bedinge die Krankheit, dass ein Elternteil im Beruf reduzieren oder gar aufgebe. Zumal manches – wie der Besuch einer Kita – nicht mehr immer möglich ist. Wenn Geschwister da sind, müssen auch sie stark zurückstecken. «Ein-, zwei- oder dreimal beim «Gspänli» zu essen, finden sie vielleicht cool. Über Monate hinweg ist es nicht toll.» Im besten Fall sei eine Therapie irgendwann fertig – eine Leukämie zu behandeln, dauert etwa zwei Jahre. «Aber wir haben auch Kinder, die viele Jahre bei uns ein- und ausgehen.»

«Mit einer solchen Diagnose ziehen wir Familien den Teppich unter den Füssen weg». Tages-Anzeiger. 6.9.2024
palliative zh+sh / Bettina Weissenbrunner