Die elf Impulse aus dem NFP 67 «Lebensende»
- Impuls 1: Koordinierte und kooperative Versorgung fördern
Die Übergänge von einer Einrichtung in eine andere oder nach Hause verlaufen für Menschen am Lebensende oft schwierig, weil die zuständigen Dienste und Institutionen unzureichend zusammenarbeiten oder vernetzt sind. Um die Kontinuität der Betreuung und Behandlung zu gewährleisten, müssen vermehrt regionale Versorgungsnetzwerke aufgebaut, koordiniert und etabliert werden. Zudem sollten einweisende Angehörige und Hausärztinnen und -ärzte in der Übergangsphase vermehrt einbezogen werden. Eine Alternative besteht in der Einrichtung breit abgestützter Institutionen der Grundversorgung, die Akutmedizin, Rehabilitation, Geriatrie, Psychiatrie, Langzeitpflege und Palliative Care unter einem Dach integrieren.
- Impuls 2: Für die bestmögliche Lebensqualität Sterbender sorgen
Die bestmögliche Lebensqualität im Sterben zu erhalten ist ebenso wichtig wie Krankheiten zu heilen und das Leben zu verlängern. Neben kurativen (heilend wirkenden) müssen auch palliative (lindernde) Massnahmen etabliert werden. Es ist unabdingbar, die Palliative Care – die lindernde, auf Wohlbefinden ausgerichtete Behandlung, Pflege und Begleitung – in die Aus-, Weiter- und Fortbildung von Fachleuten der Gesundheitsversorgung aufzunehmen.
- Impuls 3: Medizinethische Grundsätze durchsetzen
Selbst urteilsfähige Patientinnen und Patienten werden nicht immer in wichtige Lebensende-Entscheidungen miteinbezogen. Dies widerspricht den geltenden rechtlichen Regelungen und medizinethischen Grundsätzen. Institutionen und Berufsverbände sollten die Umsetzung medizinethischer Grundsätze, beispielsweise die Achtung der Selbstbestimmung, sicherstellen und die Praxis der gemeinsamen und informierten Entscheidfindung (Shared Decision Making/Informed Decision Making) fördern.
- Impuls 4 Koordination und Kommunikation in Spitälern verbessern
Sterbende werden in Spitälern häufig in verschiedenen Abteilungen und von unterschiedlichem Fachpersonal begleitet und betreut. Ständiger Personalwechsel sowie mangelnde Absprachen verunsichern und verängstigen Sterbende und begünstigen Konflikte und Fehlentscheide. Koordination und Verständigung müssen daher verbessert werden.
- Impuls 5: Auf die Bedürfnisse besonders vulnerabler Sterbender eingehen
Bedürfnisse besonders vulnerabler Menschen wie Kinder, Jugendliche oder Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen an ihrem Lebensende, sind besonders zu beachten. Wichtig ist, die dazu notwendige Infrastruktur zu schaffen und professionelle Ressourcen zur Verfügung zu stellen.
- Impuls 6: Die Bedeutung der Arbeit pflegender Angehöriger anerkennen und ihre Bedürfnisse erkennen
Pflegende Angehörige können das System der Gesundheitsversorgung erheblich entlasten und dazu beitragen, dass Sterbende nicht fehlbehandelt werden. Dafür sind politische Entscheide notwendig, die pflegende Angehörige finanziell, emotional und fachlich entlasten und unterstützen. Die Vereinbarkeit von Pflege und Erwerbstätigkeit sollte über entsprechende Massnahmen u.a. der Arbeitgeber gefördert werden. Dem drohenden Verlust von Renten- oder Pensionsansprüchen ist vorzubeugen.
- Impuls 7: Ein Monitoring der Entscheidungen und Praktiken am Lebensende etablieren
Entscheidungen und Praktiken am Lebensende haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Zudem bestehen regionale und kulturelle Unterschiede. Über den Einbezug der Sterbenden und ihrer Angehörigen in wichtige Entscheidungen am Lebensende ist wenig bekannt. Ein schweizweites Monitoring würde es erlauben, Entwicklungen besser erkennen und notwendige Massnahmen ergreifen zu können.
- Impuls 8: Klärung grundlegender Kriterien des Erwachsenenschutzrechts
Die Feststellung der Urteilsunfähigkeit von Patientinnen und Patienten kann gravierende Folgen für die Betroffenen haben. Die Kriterien sind daher genau zu klären. Gleiches gilt für die Kriterien des Erwachsenenschutzrechts, der «mutmassliche Wille» und die «objektiven Interessen» Sterbender seien zu beachten. Beide bedürfen einer vertieften Klärung, etwa im Rahmen einer Revision des Erwachsenenschutzrechts.
- Impuls 9: Das offene Gespräch über Sterben und Tod im klinischen Alltag und in Heimen fördern
Das offene Gespräch über Sterben und Tod begünstigt eine gute Entscheidfindung und trägt zur Vermeidung von Fehlbehandlungen am Lebensende bei. In den Einrichtungen sollten daher Voraussetzungen für eine offene Gesprächskultur geschaffen werden: die Verfügbarkeit geeigneter Räume für private Gespräche, die Anerkennung der «sprechenden Medizin und Pflege», die Bereitstellung zeitlicher Freiräume für alle Gesundheitsprofessionen sowie der Aus- und Weiterbildung für die Gesprächsführung mit Sterbenden und Angehörigen.
- Impuls 10: Umfassende Versorgung am Lebensende stärken
Die Lebensqualität Sterbender wird nicht allein durch körperliche Einschränkungen beeinflusst. Wesentlich sind auch soziale, psychische und spirituelle – den Lebenssinn und die Religiosität betreffende – Aspekte. In der Betreuung und Begleitung Sterbender und deren Angehöriger sollten alle Aspekte berücksichtigt werden, ohne dabei die Betroffenen zu bevormunden oder ihnen bestimmte Ideale aufzudrängen.
- Impuls 11: Forschung am Lebensende anerkennen und etablieren
Angesichts des demografischen Wandels wird die Betreuung und Begleitung Sterbender an Bedeutung gewinnen. Zudem ist die Institutionalisierung, Professionalisierung, Medikalisierung und Verrechtlichung des Lebensendes zu beobachten. Daher sollte die Sterbeforschung anerkannt und intensiviert werden. Sie trägt dazu bei, Veränderungen besser zu verstehen, Konsequenzen für die medizinische, politische, wirtschaftliche und rechtliche Praxis zu reflektieren und die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Lebensende zu fördern.