Das Lebensende und Sterben unserer Angehörigen, Freunde und Nachbarn macht uns oft hilflos, denn uraltes Wissen zur Sterbebegleitung ist unserer Gesellschaft schleichend verloren gegangen. Um dieses Wissen zurückzugewinnen, gibt es die Letzte Hilfe Kurse, in welchen Interessierte lernen können, was sie für einen nahestehenden Menschen an dessen Lebensende tun können.
Sterben ist ein Teil des Lebens
In einem ersten Teil beschäftigen sich die Kursteilnehmenden mit dem Sterbeprozess an sich. Dabei erfahren sie unter anderem, dass es frühe und späte Anzeichen gibt. Die frühen sind eher unspezifisch, wie etwa abnehmendes Interesse an Essen und Trinken oder vermehrter Rückzug. Die späten Anzeichen können sich in einem veränderten Bewusstseinszustand zeigen, zunehmender Verwirrung, in veränderter, oft rasselnder Atmung.
Wie kann man den Sterbenden in diesen Phasen unterstützen? «Dasein» ist der entscheidende Begriff. Begleiten. Das erfordert vom Begleitenden jedoch ein feinfühliges, achtsames Vorgehen. Viele Sterbende beruhigt es, wenn sie im Schmerz und in der Verzweiflung eine vertraute Person an ihrer Seite haben. Jemanden, der auf den Betroffenen eingeht. Mit einigen wenigen Handgriffen kann schon viel geholfen werden. Etwa vorsichtig mit einem Schwämmchen Lippen und Mundraum befeuchten, wenn der Sterbende nicht mehr trinken mag. Vielleicht schmerzende Stellen sanft massieren. Auch gemeinsames Musikhören oder die Hand halten, gibt manchem einen Moment der Ruhe.
Es gibt Hilfe am Lebensende
Im Letzte Hilfe Kurs werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit dem Thema Palliative Care vertraut gemacht. Sie lernen, dass Palliative Care ein Ansatz ist, der die Lebensqualität von Patienten und ihren Angehörigen verbessert, Leidenszustände zu lindern oder vermeiden versucht und sich nicht nur mit medizinischen Problemen auseinandersetzt, sondern mit körperlichen, psychosozialen und spirituellen. Man spricht auch von einem ganzen System, das Unterstützung anbietet, um den Angehörigen zu helfen, während der Krankheit des Patienten oder in ihrer eigenen Trauerphase mit den Belastungen umzugehen.
Ein weiterer Kursteil setzt sich mit den Themen Vorsorge und Entscheiden auseinander. Denn Sterben und Tod sind vorhersehbarer geworden. Die medizinisch-technischen Möglichkeiten bringen es mit sich, dass am Lebensende viele Entscheidungen getroffen werden müssen. Es ist hilfreich, wenn sich jeder im Voraus bereits überlegt hat, was zu tun oder lassen ist. Was ist mir wichtig am Lebensende? Wo und wie würde ich gerne sterben? Wer vertritt mich im Falle meiner Urteilsunfähigkeit? Hier können unter anderem Patientenverfügung und Vorsorgeauftrag hilfreich sein.
Weltweites Projekt
Zwei Fachpersonen aus der Palliative Care, darunter eine Pflegefachperson oder ein Mediziner, leiten die Letzte Hilfe Kurse. Die vier Unterrichtsstunden stehen jeweils für eines der vier Module:
1. Sterben ist ein Teil des Lebens
2. Vorsorgen und Entscheiden
3. Leiden lindern
4. Abschied nehmen
Der Letzte Hilfe Kurs wurde von Dr. med. Georg Bollig, Palliativ- und Notfallmediziner in Deutschland und Österreich entwickelt. Mittlerweile gibt es Letzte Hilfe Kurse weltweit. Diese werden laufend evaluiert und weiterentwickelt. In der Schweiz ist die Evangelisch-reformierte Landeskirche des Kantons Zürich seit 2017 Lizenznehmerin für die Letzte Hilfe Kurse. Sie leitet das Projekt und ist auch Kooperationspartnerin im internationalen Netzwerk. Letzte Hilfe Kurse werden in der Schweiz auf Deutsch, Französisch «Derniers Secours» und Italienisch «Ultimo Soccorso» angeboten. Diverse Organisationen, Institutionen, Vereine und Stiftungen wirken in den einzelnen Kantonen mit, indem sie Fachpersonen zu Kursleitungen ausbilden lassen und Kurse vermitteln.