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Fachsymposium 2023: «Palliative Care heute»

Impressionen 8. Fachsymposium Palliative Care. (copyright: foto-net, Kurt Schorrer, Dübendorf / bw)

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10. Oktober 2023 / Wissen
Am 8. Fachsymposium Palliative Care beschäftigten sich Fachleute und weitere Interessierte mit einem vielfältigen Programm – von der Nationalen Strategie bis zum Projekt der Stadt Zürich. Von unserem (Ver-)Halten bis zu konkreten Erfahrungen in Langzeitinstitutionen.
Eines vorweg: Es war eine lebhafte Veranstaltung, welche das 8. Fachsymposium Palliative Care unter Moderation von Kommunikationsfachfrau Sabine Arnold bot. Nebst diversen Referaten wurden die rund 130 Teilnehmenden immer wieder in die Diskussion einbezogen. Wie würden sie als Fachpersonen im konkreten Fall entscheiden? Liegt hier eine palliative Situation vor? Welche Lösungsmöglichkeiten gibt es? Und was hat unsere Haltung mit unserem Verhalten zu tun?

Blick auf die Langzeitinstitutionen

Zuerst beleuchteten Fabienne Walder, dipl. Pflegefachfrau HF, MAS in Palliative Care, sowie Dr. med. Reto Pampaluchi, Geriater und Palliativmediziner, die gegenwärtige Situation in den Langzeitinstitutionen. Sie zeigten auf, wie gross der Bedarf an Alters- und Langzeitpflege in den kommenden Jahren sein wird: Bis 2040 wird dieser nämlich um rund 56 Prozent ansteigen, was ca. 50 000 Betten entspricht. Bei der Spitexbetreuung erwartet man mehr als 100 000 neue Klientinnen und Klienten. Neue Wohn- und Betreuungsformen für ältere Menschen sind also gefragt. Zur heutigen Situation am Lebensende zeigt sich, dass Wunsch und Realität auseinanderklaffen. Die meisten Menschen wollen zuhause sterben. Realität: 40 Prozent sterben im Spital, 40 Prozent in Pflegeheimen, der Rest zuhause oder auf dem Transport. Die meisten Pflegeheimbewohner werden im letzten Lebensjahr mehrfach hospitalisiert. «Hausärztinnen und Hausärzte mit Kenntnissen in Palliative Care sowie die Fachpersonen von mobilen Diensten reduzieren die Einweisungen vor dem Tod», erklärte Reto Pampaluchi. Gerade deshalb soll Palliative Care künftig eine grössere Rolle spielen können. Wie der Alltag in einem Pflegeheim heute aussieht, zeigte das Referat von Fabienne Walder auf. Anhand des Fallbeispiels eines 70jährigen Patienten wurde ersichtlich, wie schwer es sein kann, eine palliative Situation zu erkennen. Die Teilnehmenden konnten via interaktive Abstimmung ihre Lösungsvorschläge einbringen. Welche Schritte sind einzuleiten? Soll der Patient ins Pflegeheim? Und kann dieser Fall allein mit allgemeiner Palliative Care abgedeckt werden? Es wurde deutlich, dass allgemeine Palliative Care eine Selbstverständlichkeit werden muss. Doch dazu braucht es Basiswissen vom ganzen Team und entsprechende Strukturen. Es braucht Kommunikation und vor allem eine Finanzierung der Leistungen.

Von der nationalen Strategie zur Umsetzung

«Wo stehen wir heute in der Palliative Care?», fragte in ihrem Vortrag Stephanie Züllig, Geschäftsleiterin von palliative zh+sh. Von der nationalen Strategie bis zum heutigen Tag war es ein weiter Weg. Und dieser Weg weist Lücken auf. Nach diversen Strategien und Berichten wurde schliesslich 2021 die Motion «Für eine angemessene Finanzierung der Palliative Care» eingereicht. Mit ihr wird der Bundesrat beauftragt, die notwendigen gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, damit eine bedarfsgerechte Behandlung und Betreuung aller Menschen am Lebensende schweizweit gewährleistet ist. Aktuell haben rund 50 000 Personen in der Schweiz einen Bedarf an Palliative Care. Im Verlaufe ihrer Krankheit benötigen zirka 715 000 Personen palliative Versorgungsstrukturen. Im Kanton Zürich wird angesichts dieser Tatsachen derzeit die «Strategie Palliative Care im Kanton Zürich» erarbeitet. Die Vision: «Der Kanton Zürich gewährleistet durch eine koordinierte Versorgung und innovative Lösungen eine bedarfsgerechte und qualitativ hochstehende Palliative Care. Diese ist für alle zugänglich und orientiert sich an den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten.» Doch bis dahin dürfte es auch in Zürich ein weiter Weg sein: Die Finanzierung weist gegenwärtig noch grosse Lücken auf, beispielsweise bei den Koordinationsleistungen, Medikamenten oder den Einsätzen der mobilen Dienste in Pflegeheimen. Fachkräftemangel und Digitalisierung sind weitere grosse Herausforderungen.

Haltung und Verhalten

Ein wichtiges Thema in der Palliative Care sei die Haltung, hielt Palliative-Care-Expertin Nelly Simmen fest. Die Haltung zeige auf, wie viel Potential in unserem Unterbewussten liegt. «Um mit diesem Potential arbeiten zu können, müssen wir den Inhalt heben und ins Bewusstsein bringen», sagte die freiberufliche Beraterin. Erst dann könnten wir darüber nachdenken, darüber sprechen und auch Veränderungen anstreben. «Unsere inneren Werte sind wie ein innerer Kompass. Dieser gibt uns Orientierung, Ausrichtung, Entscheidungshilfe.» Diese Haltung führt uns dann zum Verhalten und prägt unser Handeln. Sie spielen zusammen – oder an einem Beispiel erklärt: «Wenn ich alte Menschen gerne habe, wenn mir ihr Wohlergehen wichtig ist, dann nehme ich mir Zeit für sie, ich zeige Interesse und spreche mit ihnen. So setze ich mich für ihr Wohlbefinden und ihre Lebensqualität ein.» Konkret: Haben wir im Team die ähnlichen Ansichten und Prioritäten, dann sorgen wir dafür, dass alte und kranke Menschen frühzeitig Palliative Care erhalten. Wir schaffen die entsprechenden Prozesse und Strukturen, bilden die Mitarbeitenden aus und sorgen dafür, dass die Finanzierung entsprechend dem Bedarf gesichert ist.

Zum Abschluss des Symposiums zeigte Pflegefachfrau und Palliative Care Spezialistin Verena Gantenbein auf, wie es konkret in der Stadt Zürich um die Palliative Care steht. Das städtische Pilotprojekt 2020 bis 2022 hatte das Ziel, die wesentlichen Versorgungslücken zu schliessen. Ist das gelungen? «Trotz der erschwerten Bedingungen durch Corona, war das Projekt eigentlich sehr erfolgreich», bilanzierte Verena Gantenbein. «Es konnte vieles umgesetzt werden, das auch geplant war.» Das Projekt hat die ganze Bandbreite von Palliative Care aufgenommen. Es wurden die gesellschaftliche Ebene, die Allgemeine Palliative Care sowie die Spezialisierte Palliative Care beleuchtet. Zu den Massnahmen, die schliesslich ergriffen wurden, gehört etwa die Weiterentwicklung der mobilen Palliative Care Teams in der Stadt Zürich. Durch deren Einsatz konnten bei vielen Patientinnen und Patienten Symptome gelindert und häufig ungewollte Verlegungen ins Spital vermieden werden. Ausserdem kann heute die individuelle Beratung die pflegerisch-palliative Kompetenzen der Pflegeteams der stationären Grundversorgung fördern. Allerdings gibt es nur ungenügende Datengrundlagen, um den Bedarf zu erheben und ein tragbares Finanzmodell zu entwickeln. Deshalb hat der Stadtrat Ende 2022 die Verlängerung des Pilotprojektes beschlossen und damit auch die Finanzierung der Einsätze der mobilen Teams in Langzeit-Institutionen bis Ende 2024. In diesem Zeitraum werden unter anderem Bedarf und Nachfrage in den Langzeitinstitutionen geprüft sowie ein tragbares Leistungs- und Finanzmodell entwickelt.

Nächste Fachtagung am 6. November 2024

Neben den Fachinformationen und -diskussionen am Symposium wurden wie immer die Pausen zwischen den Vorträgen rege fürs Networking genutzt. Wie sieht es bei anderen Fachleuten aus? Was prägt ihren Arbeitsalltag? Wo setzen sie Prioritäten? Dies zeigt deutlich: es war eine informative Fachveranstaltung mit vielen Inputs, persönlichen Voten und spannenden Diskussionen. Deshalb werden sich viele das Datum des 9. Fachsymposiums Palliative Care bereits in der Agenda notiert haben: dieses wird am Mittwoch, 6. November 2024 stattfinden.
palliative zh+sh / Bettina Weissenbrunner