Herr Dr. Schipper, wie haben Sie die ersten 100 Tage auf der neuen Palliativstation erlebt?
Ich habe sie als sehr positiv erlebt. Der Weg ist noch lang und es gibt noch viel zu tun, auch wenn wir in diesen 100 Tagen viel erreicht haben.
Was ist heute anders als mit dem bisherigen Konsiliardienst?
Wir sind jetzt ein grosses Team. Zuvor waren wir einzeln unterwegs, nun aber können wir eine Teamkultur aufbauen, denn Palliative Care ist Teamarbeit. Die Effekte sind ungleich grösser, als wenn wir als Einzelkämpfer unterwegs sind.
Wie waren die Reaktionen Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf die neuen Arbeitsbedingungen?
Die Mitarbeitenden erlebe ich als sehr zufrieden. Viele Pflegende des Spitals Uster haben sich schon seit Jahren auf diese Palliativstation gefreut. Und in diesen schwierigen Zeiten des Fachpersonalmangels haben sich bereits mehrere Pflegende von ausserhalb um einen Job bei uns beworben– was uns zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wir bieten attraktive Arbeitsstellen an und sind ein sehr engagiertes und motiviertes Team.
Der Aufenthalt auf der Palliativstation eines Akutspitals ist beschränkt. Worin liegen ihre Hauptaufgaben?
Vielen Patientinnen und Patienten geht es sehr schlecht, wenn sie zu uns kommen. Wir versuchen die Symptome zu stabilisieren und besprechen Anschlusslösungen. Zum Teil sterben die Leute natürlich auch auf unserer Palliativstation. Die meisten treten aber wieder aus, und viele treten wieder ein, wenn sie es benötigen - wenn immer möglich unter Umgehung der Notfallstation, was sowohl für die Patientinnen und Patienten als auch für die überfüllten Notfallstationen ein Vorteil ist. Zudem verfolgen wir das Ziel, unser Netzwerk mit den mobilen Palliative Care Teams, den Hausärztinnen und Hausärzten, den Pflegeheimen und den Hospizen der Umgebung auf- und auszubauen. Palliative Care Arbeit ist Netzwerkarbeit: Unsere Patienten bedürfen situationsunabhängig einer guten palliativen Betreuung, sei es zuhause, in einer Langzeitpflegeinstitution oder im Spital. Mit der neu geschaffenen Palliativstation im Spital Uster erweitern wir das Angebot der Palliative Care im Zürcher Oberland insofern, dass Patienten in einer komplexen oder instabilen Situation eine direkte Anlaufstelle im Spital finden.
In der Region Uster stehen mobile Teams nun auch in Pflegeheimen im Einsatz. Sie waren im Steuerungsausschuss des Projektes, das nun definitiv eingeführt worden ist. Inwiefern sind diese Teams eine Entlastung für das Spital Uster?
Mit den mobilen Diensten pflegen wir eine hervorragende Zusammenarbeit. Dieses Netz funktioniert sehr gut – und zwar in beide Richtungen. Die Kommunikationswege sind kurz und unkompliziert, und die positiven Rückmeldungen unserer Patientinnen und Patienten bestätigen dies.
Könnten Sie sich einen weiteren Ausbau der Palliativstation vorstellen? Ist das Bedürfnis vorhanden?
Das Bedürfnis ist zweifellos vorhanden, denn trotz gut ausgebauter mobiler Palliative Care in der Region fehlt es weiterhin an Möglichkeiten, komplexe und instabile Patientinnen und Patienten stationär und langzeitstationär zu betreuen. Mein Ziel ist eine Hybridstation, ein Hybrid aus einer Akut-Palliativstation und einem Hospiz, womit Verlegungen am Lebensende vermieden werden könnten. Dies würde für die Patienten Ruhe, Sicherheit und Entschleunigung bedeutet. Heute ist es für viele Leute eine riesige Enttäuschung, dass ihre Aufenthaltsdauer auf der Palliativstation aus tariflichen Gründen beschränkt ist. Das Spital Uster hat anlässlich der Vergabe des Leistungsauftrags der Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich ein Hybridprojekt vorgeschlagen, jedoch konnte dies im ersten Anlauf nicht durchgeführt werden. Wir erachten aber diese Lösung als sowohl sinnvoll für die Patientinnen und Patienten (müssen nicht nochmals umziehen) als auch für die Kostenträger (kosteneinsparend). Wir werden im Rahmen der Strategie Palliative Care 2024 bis 2028 der Gesundheitsdirektion ein entsprechendes Projekt erneut zur Vernehmlassung präsentieren.
Der nächste Schritt soll nun aber die Zertifizierung der neuen Palliativstation sein. Was braucht es noch dafür?
Wir erfüllen die Kriterien jetzt schon. Was wir noch brauchen, ist Zeit. Zeit, damit wir uns als Team festigen können. Wir haben mit dem Konsiliardienst bereits viele Vorgaben erfüllt. Der Konsiliardienst wird nach der Erstzertifizierung 2019 nun im November rezertifiziert.
Dann gibt es den Konsiliardienst noch, obwohl das Spital nun über eine Palliativstation verfügt?
Ja, genau. Mit Tamara Schellenbaum als Leiterin des Konsiliardienstes haben wir eine hervorragende Advanced Practice Nurse. Wir sehen, dass es auf den anderen Stationen Bedarf an Beratung gibt. Zudem hilft der Konsiliardienst, Weiterbildungen und Schulungen zu organisieren und somit die Behandlungsqualität kontinuierlich zu verbessern.
Sie erwähnten auch mal ihre Vision eines Kompetenzzentrums.
Sobald wir die Zertifizierung haben, können wir dort einen Schritt vorwärts machen. Dafür braucht es natürlich das entsprechende Personal, das Budget, Projektmanager und so weiter. Aber diese Vision ist sehr realistisch. Ich schaue jedenfalls gespannt in die Zukunft.