Die Pflege steht angesichts des Bevölkerungswachstums und der Alterung der Bevölkerung vor grossen Herausforderungen. Um die Qualität der Pflege erhalten zu können, müssen mehr Pflegefachkräfte ausgebildet und die Arbeitsbedingungen verbessert werden. Beides waren Forderungen der Volksinitiative «Für eine starke Pflege (Pflegeinitiative). Der Bundesrat setzt die Initiative in zwei Etappen um. Die erste Etappe enthält eine Ausbildungsoffensive von Bund und Kantonen (unser Artikel dazu:
www.pallnetz.ch/p129004148.html).
Zweite EtappeIn einer zweiten Etappe will der Bundesrat nun die restlichen Elemente der neuen Verfassungsbestimmung umsetzen, insbesondere die anforderungsgerechten Arbeitsbedingungen. So hat er an seiner Sitzung vom 25. Januar das Departement des Innern beauftragt, bis im Frühling 2024 ein neues Bundesgesetz über die anforderungsgerechten Arbeitsbedingungen in der Pflege zu entwerfen. Im neuen Bundesgesetz werden jene Punkte geregelt, die einheitlich für den gesamten Pflegebereich gelten sollen. Geplant sind unter anderem strengere Vorgaben zur Erstellung von Dienstplänen. Häufige kurzfristige und ungeplante Arbeitseinsätze sind für Pflegende belastend und werden auch häufig als Grund genannt, den Pflegeberuf zu verlassen. Kurzfristige Anpassungen der Dienstpläne sollen zwar weiterhin möglich bleiben. Die Arbeitgeber sollen dann aber verpflichtet sein, Lohnzuschläge zu zahlen. Die Spital-, Heim- und Spitexverbände sollen zudem verpflichtet werden, für die verschiedenen Versorgungssettings Empfehlungen für sogenannte Skill-Grade-Mixes auszuarbeiten. Diese bezeichnen die optimale Zusammensetzung von Pflegeteams aus Personen mit verschiedenen Kompetenzen, Erfahrungen und Bildungsabschlüssen.
Verhandlungspflicht für GesamtarbeitsverträgeFür all jene Massnahmen, die spezifisch für einzelne Pflegebereiche oder Institutionen gelten, sind auch nach Annahme der Pflegeinitiative die Kantone, Betriebe und Sozialpartner zuständig. «Sie kennen die Anforderungen und Verhältnisse vor Ort am besten», schreibt der Bundesrat in einer Pressemitteilung. Er will die Sozialpartner als zusätzliche Massnahme aber neu dazu verpflichten, Gespräche zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen aufzunehmen und über Gesamtarbeitsverträge (GAV) zu verhandeln. Vereinbart werden könnten etwa höhere Mindestlöhne, eine Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeiten in psychosozial besonders belastenden Arbeitssituationen, eine Stärkung der Mitwirkungsrechte bei der Organisation der Dienstplanung oder ein 24-Stunden-Krippenangebot. Ob die GAV-Verhandlungspflicht neben den privatrechtlichen auch für öffentlich-rechtliche Leistungserbringer (Kantone, Gemeinden) gelten soll, lässt der Bundesrat prüfen.
SBK: «Schritt in die richtige Richtung»«Der Schweizerische Berufsverband der Pflegefachpersonen SBK nimmt zur Kenntnis, dass der Bundesrat den Ernst der Situation erkannt hat und nun mit konkreten Massnahmen die Arbeitsbedingungen in der Pflege verbessern will», schreibt der SBK in einer Mitteilung. Die im neuen Gesetz vorgesehenen strengeren Vorgaben zur Erstellung von Dienstplänen und die Verpflichtung der Arbeitgeber, bei kurzfristigen Arbeitseinsätzen Lohnzuschläge zu zahlen, seien wichtige Schritte in die richtige Richtung. Für den SBK sei auch die Verpflichtung der Sozialpartner zu Verhandlungen über Gesamtarbeitsverträge (GAV) unabdingbar, genau gleich wie die Massnahmen zur Sicherung der Pflegequalität. Für den Berufsverband ist jedoch klar, dass er als Vertreter der Pflegenden den optimalen Skill-Grade-Mix selbst definieren will und dies nicht den Leistungserbringern überlassen will, wie dies der Bundesrat vorschlägt. Mit dem Zeitplan des Bundesrates, die Vernehmlassungsvorlage erst 2024 zu publizieren, ist der SBK nicht einverstanden. Es muss schneller vorwärtsgehen und die Kantone sind mehr denn je gefordert, in der Zwischenzeit mit Sofortmassnahmen den anhaltenden «Pflexit», den Ausstieg der Pflegenden aus dem Beruf, zu stoppen.