Die Richtlinien «Betreuung von Patientinnen und Patienten am Lebensende» stammen noch aus dem Jahr 2004. Die zentrale Ehtikkommission der SAMW beauftragte eine Subkommission mit der Revision. Deren Mitglieder bildeten ein breites Spektrum an beruflichen, kulturellen und weltanschaulichen Hintergründen ab. Bei dieser Aufgabe stützten sie sich unter anderem auf die ebenfalls von der SAMW durchgeführte Studie zur Haltung der Ärzt_innen zur Suizidhilfe aus dem Jahr 2014 sowie auf Ergebnisse des nationalen Forschungsprogramms «Lebensende» (NFP 67). Darüber hinaus seien Expert_innen aus dem In- und Ausland zugezogen worden, schreibt die SAMW auf ihrer Website.
Im Zentrum des neuen Entwurfs, der nächste Woche in die öffentliche Vernehmlassung geht, steht das Gespräch über Leben und Tod. Zudem ist er als Ganzes vom Leitgedanken der Palliative Care geprägt. Deshalb enthalten die Richtlinien auch kein spezielles Kapitel mehr dazu wie die Vorgängerversion.
«Wenn man als Arzt Zeit für ein Gespräch übers Sterben haben will, hat man sie auch.»
Roland Kunz, Chefarzt universitäre Klinik für Akutgeriatrie Waid
Der Zürcher Palliativmediziner Roland Kunz hat ebenfalls an den Richtlinien mitgearbeitet. In der Radiosendung «Rendez-vous» gestern von Schweizer Radio SRF sagte er, die Revision sei deshalb notwendig gewesen, weil sich in den letzten 15 Jahren vieles sowohl in der Gesellschaft als auch in der Medizin verändert habe. Die Richtlinien sollten deshalb gewissen Leitplanken liefern. Zentral darin sei, dass sich der Arzt nach den Anliegen des Patienten und nicht nach irgendwelchen Guidelines richten soll. «Der Patient braucht von mir als Arzt die notwendigen Informationen, damit er entscheiden kann, welche Behandlung er noch will.»
Im Zentrum der Richtlinien steht deshalb auch das Reden über den Tod. «Je konkreter das geschieht, desto mehr verliert dieser seinen Schrecken», so Kunz. Heutzutage sehe man in den Medien zwar sehr viele virtuelle Tote, sei aber kaum mehr mit dem reellen Tod konfrontiert. Die Mitgliedschaft bei einer Sterbehilfeorganisation werde als eine Art Versicherungspolice angesehen. Viele Menschen sagten, sie hätten keine Angst vor dem Tod, aber vor dem Sterben, vor Symptomen wie Erstickungsgefühlen oder Schmerzen. Als Arzt könne er zeigen, dass diese Sorgen nicht begründet seien. Ob es im hektischen und durchregulierten Spitalalltag denn genügend Raum gebe für solche Gespräche? Kunz sagt klar Ja. «Man muss einfach die Prioritäten richtig setzen. Wenn man als Arzt dafür Zeit haben will, hat man sie auch.»
Kontrovers diskutierte Handlungen
Neu ist in den SAMW-Richtlinien von einer Kategorie «kontrovers diskutierte Handlungen» die Rede, darunter die Suizidhilfe, aber auch der freiwillige Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit. Äussere eine Patientin einen Sterbewunsch, sei es wichtig, sich auf ein Gespräch einzulassen. Viele Ärzte hätten sich bisher davor gescheut. Man müsse herausfinden, was hinter diesem Wunsch stecke und der Patientin Unterstützungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Ob man nach einem Gespräch weiter gehe und zum Beispiel ein Rezept für das todbringende Medikament ausstelle, sei jeder Ärztin, jedem Arzt selber überlassen. Er selbst habe noch nie eines ausgestellt, sagte Kunz. Er würde dies aber nicht generell ablehnen. Das Gespräch über Freitod sollte also jeder Arzt führen können. Wichtig sei aber auch zu betonen: «Kein Arzt muss Suizidhilfe leisten.»