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Eine Kämpferin und Pionierin der ersten Stunde ist gestorben

Eine Kämpferin und Pionierin der ersten Stunde ist gestorben

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02. Juni 2022
Susan Porchet war Erwachsenenbildnerin, Musiktherapeutin und Gründerin von palliative zh+sh. Vor wenigen Tagen ist die unermüdliche Förderin der Palliative Care 84-jährig gestorben.
Dass heute der Begriff «Palliative Care» in der Schweiz weitläufig bekannt ist, ist nicht zuletzt Susan Porchet zu verdanken. Mit grossem Engagement setzte sie sich seit den 80er-Jahren für Palliative Care in der Schweiz ein. Susan Porchet war Musiktherapeutin (Guildhall School of Music + Drama) und hatte einen Master in Education, als sie Mitte der 70er-Jahre mit Palliative Care in Berührung kam. Sie lebte zu dieser Zeit in Kanada und arbeitete als erste Musiktherapeutin im Palliative Care Service am Royal Victoria Hospital, Montreal. Hier erlebte sie, was Palliative Care war und sein könnte. Das Thema faszinierte Susan Porchet, das Konzept überzeugte sie. Immer mehr wurde sie zu einer Spezialistin in Palliative Care und zu einer angesehenen Fachfrau und wurde weltweit als Referentin an Kongresse eingeladen. Zurück in Zürich wollte sie weiterhin in der Palliative Care arbeiten, doch gab in der Deutschschweiz kaum Institutionen, welche über eine entsprechende Abteilung verfügten. Am Kantonsspital St. Gallen, einem Ort, wo man offen war für neue Behandlungsmethoden, fand Porchet einen Platz, an dem sie ihre Passion vorantreiben konnte in der neu gegründeten Palliativ-Station. Schritt für Schritt entwickelte sich Palliative Care nun in der Deutschschweiz – in der Romandie war sie bereits besser verankert. Zürich sollte da nicht ewig hinterherhinken, sagte sich Porchet und verschob ihr Wirkungsfeld an die Limmat. Zusammen mit vier weiteren Personen gründete sie das Netzwerk Palliative Zürich, welches inzwischen als palliative zh+sh eine Regionalsektion von palliative.ch geworden ist.

Sie sah jeden Menschen als einzigartiges Wesen

Hört man sich bei den Wegbegleiterinnen von Susan Porchet um, dann ist das Bedauern über den Tod der engagierten Kollegin gross. «Sie war eine unglaubliche Kämpferin für die Palliative Care», erinnert sich Irène Bachmann-Mettler, welche in St. Gallen gemeinsam mit Porchet arbeitete und später im Auftrag der Krebsliga Schweiz mit ihr im Leitungsteam Lehrgänge in Palliative Care anbot. Über 200 in der Palliative Care tätige Personen nahmen im Verlauf der Jahre am Lehrgang teil. Gerade das Interprofessionelle war Porchet äusserst wichtig, denn sie war überzeugt von dessen Mehrwert für die betroffenen Personen und das Team. Am meisten bleibt Irène Bachmann-Mettler Porchets sensibler Umgang mit den Sterbenden und Schwerkranken in Erinnerung. Denn bei allem Lobbyieren, Gestalten und Projektieren war die Arbeit als Musiktherapeutin noch immer ihre grosse Passion. «Es war eindrücklich, wie sie auf den jeweiligen Menschen eingehen konnte. Für sie waren da nicht einfach Patientinnen und Schwerstkranke, sondern ganz einzigartige Persönlichkeiten.» Mit ihrer Musik und ihrer Präsenz habe die Therapeutin ermöglicht, dass die Menschen zu sich finden konnten, sich mit Schmerz und Leid auseinandersetzten und sich oft eine einzigartige Atmosphäre verbreitete.

Feinfühlig und doch sehr kämpferisch, humorvoll und äusserst zielstrebig: So bleibt vielen die Pionierin in Erinnerung. Eva Waldmann, ehemalige Co-Präsidentin von palliative zh+sh und in dieser Funktion Nachfolgerin von Porchet, weiss um deren Stärken. «Sie war ein Zugpferd und sie wusste genau, wie sie die Leute einbinden konnte in ihre Projekte», erinnert sie sich. So entstand ein grosses Beziehungsnetz, welches notwendig war, um das Palliative Care Netzwerk Zürich bekannt zu machen.

Die Öffentlichkeit sensibilisiert

Ein Meilenstein in der Öffentlichkeitsarbeit war gewiss die Ausstellung «Palliative Care – leben bis zuletzt», welche von November 2003 bis Januar 2004 im Stadthaus Zürich zu sehen war. Eine der Initiantinnen war auch hier Susan Porchet. Ihr Anliegen war es, die breite Öffentlichkeit über Palliative Care aufzuklären und zu sensibilisieren. Die Vielschichtigkeit, die mit den Themen «unheilbarer Krankheit», «letztem Lebensabschnitt», «Sterben und Tod» einhergeht, sollte den Ausstellungsbesuchern vor Augen geführt werden. Gleichzeitig wurden Möglichkeiten und Grenzen von Palliative Care aufgezeigt – sei es in der Pflege, Behandlung oder Begleitung von unheilbar Kranken. Die Ausstellung brachte Menschen dazu, sich mit dem eigenen Sterben auseinanderzusetzen. Und genau dies tat dann auch das zur Ausstellung gehörende Buch «Den letzten Mantel mache ich selbst», welches Susan Porchet zusammen mit Verena Stolba und Eva Waldmann herausbrachte.

«Sie war eine Inspiration für diejenigen, die sie kannten. Sie war eine Kraft, die Barrieren aufbrach. … Sie ging immer eine Extrameile und kümmerte sich um jedes Detail.» Dies schreibt ihre Familie in der Todesanzeige. Am 22. Mai 2022 ist Susan Porchet gestorben.
palliative zh+sh / Bettina Weissenbrunner