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«Angehörige dürfen auf unserer Helpline einfach mal den Kropf leeren»

«Angehörige dürfen auf unserer Helpline einfach mal den Kropf leeren»

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Bevor man als pflegende_r Angehörige_r selbst krank wird, wählt man besser die 0840 40 40 40 und redet sich die Sorgen von der Seele (Bild: pixelio.de).

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Liselotte Vogt ist Geschäftsleiterin der Stiftung Orbetan und hat die Pflegeleitung inne. Sie arbeitet ausserdem als Pflegefachfrau bei Onko Plus, der Stiftung für mobile Palliativ- und Onkologiepflege. Sie hat Weiterbildungen in Palliative Care, systemischer Beratung sowie Freiwilligen-Support absolviert.

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06. Januar 2017 / Region
Die Stiftung Orbetan ist vor allem bekannt für die Nachtwachen, die sie vermittelt. Neu führt sie unter der Nummer 0840 40 40 40 auch eine Helpline für betreuende Angehörige. Diese hätten kaum Zeit und grosse Hemmungen, sich Hilfe zu holen, sagt Orbetan-Geschäftsleiterin Liselotte Vogt. Unter der neuen Telefonnummer können sie sich über Angebote informieren oder ihre Sorgen von der Seele reden.
Weshalb hat Orbetan dieses Sorgentelefon ins Leben gerufen?
Orbetan gibt es seit fünf Jahren. Aus diesem Anlass haben wir geschaut, wo wir eigentlich stehen. Wir stellten fest, dass gewisse Angebote, nämlich begleitende Gespräche in den Familien oder die Angehörigen-Gruppe, praktisch nicht genutzt wurden. Es existiert zwar eine Gruppe, in der sich betreuende Angehörige regelmässig austauschen. Die Teilnehmenden sind jedoch fast seit Beginn dieselben geblieben. Es gab wenig Wechsel. Neue zu finden, gestaltete sich als schwierig. Schon der Aufbau der Gruppe verlief harzig. Zwar meinten Fachpersonen, dass der Bedarf nach solchen Angeboten gross sei. Die Betroffenen liessen sich aber nur schwer zur Teilnahme bewegen.

Pflegende Angehörige haben doch einfach keine Zeit!
Ja, oder wenn sie sich denn einmal einen Freiraum geschaffen haben – sie müssen ja jemanden organisieren, der sie in dieser Zeit zu Hause ersetzt –, wollen sie sich nicht auch noch mit demselben Thema auseinandersetzen. Das verstehe ich total. Die Erfahrung zeigt trotzdem, dass diejenigen, die in dieser Gruppe sind, treu jeden Monat teilnehmen und nur ganz selten fehlen. Sie sagen unisono, dass der Austausch sehr wertvoll sei. Wir merkten aber eben, dass es ganz schwierig ist, pflegende Angehörige zu erreichen und sie zu motivieren, Unterstützung zuzulassen.
«Ehemalige pflegende Angehörige, die ich kenne, haben selbst so grosse gesundheitliche Probleme, dass sie fast nicht mehr daraus herausfinden»

Studien belegen, dass pflegende Angehörige selbst enorm gefährdet sind, krank zu werden. Viele leiden zum Beispiel an Schlafstörungen.
Das kann ich so bestätigen. Einige ehemalige pflegende Angehörige, die ich kenne, haben selbst so grosse gesundheitliche Probleme, dass sie fast nicht mehr daraus herausfinden. Pflegende Angehörige funktionieren einfach, lassen keine Hilfe zu, haben ein schlechtes Gewissen, wenn sie sich Unterstützung holen oder haben schlicht keine Zeit, sich Hilfe zu organisieren.

Die neue Helpline soll also ein niederschwelliges Hilfsmittel sein, um diese Leute zu erreichen?
Genau, sie müssen nicht nach aussen treten, müssen das Haus nicht einmal verlassen, sondern können sich diesen Freiraum nehmen, wenn es ihnen passt, etwa wenn der Angehörige schläft. Das Ganze läuft diskret ab: Sie müssen sich nicht outen, sie können auch anonym bleiben. Und sie dürfen da einfach mal ihren Kropf leeren. Sie können erzählen, wo sie stehen und wie es ihnen geht. Sie können sich in einem geschützten Rahmen mitteilen, aus dem nichts nach aussen dringt.

Geht es denn nur ums Zuhören oder vermitteln die Beratenden am Telefon auch andere Angebote oder Fachpersonen?
Beides. Wir organisierten kürzlich ein Treffen mit anderen Institutionen, die ebenfalls über Angebote für Angehörige verfügen, wie die Krebsliga, die Pro Senectute, die Alzheimervereinigung, das rote Kreuz. So konnten sich unsere Freiwilligen ein Bild von der reichen Angebotslandschaft machen. Sie sind nun bereit, Informationen weiterzugeben. Sie wissen, wohin man sich auch noch wenden könnte.
«Wir brauchen jetzt aber dringend ein Übungsfeld.»

Wann ist die Helpline besetzt?
Täglich von 8 bis 20 Uhr. Auch am Wochenende.

Ist die Nummer bereits in Betrieb?
Theoretisch ja, sie wird einfach noch nicht genutzt. Nun geht es darum, das Angebot in die Öffentlichkeit zu tragen. Wir wollen mit dieser Neuigkeit deshalb auch in verschiedene Medien gelangen.

Wer führt die Beratungsgespräche?
Wir sind acht Freiwillige. Dies sind zum Teil Pflegefachpersonen, die eine reiche Lebenserfahrung haben oder selbst betroffen waren in der Angehörigenbegleitung. Wir sind sieben Frauen und ein Mann.

Wie wurden diese Personen ausgebildet?
Sie wurden von einer systemischen Beraterin gecoacht, erhielten Grundlagen zu einer ressourcen- und lösungsorientierten Gesprächsführung und aktivem Zuhören. Nun wollen wir uns laufend austauschen, Supervisionen durchführen und uns weiterbilden. Wir brauchen jetzt aber dringend ein Übungsfeld.

Wie wird die Nummer finanziert?
Für die Anrufenden kostet sie 8 Rappen pro Minute, wir übernehmen 24 Rappen. Der Betrieb kostet jährlich knapp 6500 Franken und wird zurzeit durch Orbetan-Spenden gedeckt. Ich bin aber auch auf der Suche nach Grossspendern wie Firmen, Stiftungen, gemeinnützigen Organisationen etcetera. Der Betrieb ist vorerst auf zwei Jahre beschränkt.
«Die Erfahrung zeigt, dass man psychisch viel schneller an seine Grenzen kommt, wenn man nachts mehrmals aufstehen muss.»

Was macht Orbetan hauptsächlich?
Wir bieten vor allem Nachtwachen an und ergänzen damit die öffentliche Spitex, deren Angebot auf die Zeit zwischen 7 bis 22 Uhr befristet ist. Die Stiftung setzt sich also dafür ein, dass auch schwer kranke und sterbende Menschen bis zum Ende zu Hause bleiben können. Auch unsere Gesundheitsdirektion verfolgt ja das Prinzip «ambulant vor stationär». Man kann aber den Patienten in der Nacht nicht sich selbst überlassen. Vieles hängt an den pflegenden Angehörigen. Die wollen wir entlasten. Sie sollen sich zurückziehen, in Ruhe schlafen und so auftanken können. Die Erfahrung zeigt, dass man psychisch viel schneller an seine Grenzen kommt, wenn man nachts mehrmals aufstehen muss.